Gleichheit

Gleichheit
   meint hier nicht die Frage nach der Identität, sondern das Problem der Stellung des einzelnen Menschen in Organisationsformen der Gemeinschaft: Das Menschsein des Menschen, gemeint alsWesensaussage, ist allenMenschen gemeinsam, daher sind sie in ihremWesen oder in ihrer Natur gleich; alle besitzen eine ursprüngliche G. durch ihre Natur, religiös gesprochen: sie sind vor Gott gleich. In ihrer Individualität sind sie jedoch ungleich; diese Ungleichheit ist ein konstitutives Element ihrer Individualität. Teile dieser Ungleichheit sind angeboren; sie gehen auf Vererbungsgefüge u. Evolution u. letztlich auf den Schöpfer zurück. Andere Teile sind ”erworben“: Ungleichheiten in Ausbildung, Bildung u. Besitz u. dadurch bedingter ungleicher Stellung in Gesellschaften. Auch angeborene Ungleichheiten können durch ungleiche Stellung in Gesellschaften noch einmal verstärkt werden, z. B. solche des Geschlechts, der Herkunftskultur (Hautfarbe), des Charakters, der Begabung usw. Das Bestehen solcher Ungleichheiten wurde u. wird als Verweigerung von Gerechtigkeit verstanden. In der christlichen Tradition wurde zwischen der Gerechtigkeit vor Gott (die prinzipiell allen möglich ist) u. irdischen, vor allem gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten unterschieden. Letztere galten als Folgen der Erbsünde, die konkret u. partiell (z. B. im Krankenhaus- u. Caritaswesen) bekämpft, prinzipiell aber nicht beseitigt werden konnten. Bestimmte Ungleichheiten aus Ungerechtigkeit, die auf die Gesellschaft zurückzuführen sind, wurden als unveränderliche Bestandteile göttlicher Ordnung ausgegeben (Benachteiligung der Frauen, Situation der Sklaven, Armen usw.). Die Beseitigung dieser Ungleichheiten aus Ungerechtigkeit ist auf die Aufklärung u. die Französische Revolution (”égalité“) zurückzuführen. Sie bewirkten die Aufnahme bestimmter Elemente der Gleichheit in moderne Verfassungen u. Gesetze: G. aller vor dem Gesetz, Stimmengleichheit, Chancengleichheit usw. Die legitimen Ungleichheiten der Individuen werden durch gesetzlich garantierte Religionsfreiheit u. durch Toleranz geschützt. Bei allem verbalen Bekenntnis zu Menschenrechten u. Menschenwürde sind die Probleme von nicht gottgewollten Ungleichheiten in der Kirche noch nicht gelöst.

Neues Theologisches Wörterbuch. . 2012.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gleichheit — Gleichheit …   Deutsch Wörterbuch

  • Gleichheit — bedeutet Übereinstimmung einer Mehrzahl von Gegenständen, Personen oder Sachverhalten in einem bestimmten Merkmal bei Verschiedenheit in anderen Merkmalen. Identität bedeutet eine völlige Übereinstimmung, das heißt Ununterscheidbarkeit in… …   Deutsch Wikipedia

  • Gleichheit — Gleichheit, 1) Übereinstimmung mehrerer Dinge in Allem od. in gewissen Bestimmungen; 2) (Math.), die Übereinstimmung von Größen bezüglich ihrer Größe ohne Rücksicht auf die Gestalt. Das Zeichen dafür ist =. In der Geometrie versteht man also… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Gleichheit — (Aequalitas) ist in der Logik die Übereinstimmung zweier Dinge, insbes. der Größe nach. In der Außenwelt findet vollkommene G., wie Leibniz richtig bemerkt und durch die Ausstellung des Prinzips von der Übereinstimmung des Nichtzuunterscheidenden …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Gleichheit — Gleichheit, die Uebereinstimmung einzelner Dinge in allen ihren Eigenschaften; ist nirgends in der Natur vorhanden, indem anscheinend gleiche Dinge sich bei näherer Betrachtung als verschieden zeigen. G. in socialer u. polit. Hinsicht ist… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Gleichheit — 1. ↑Analogie, ↑Äquiparation, ↑Egalität, ↑Égalité, ↑Identität, ↑Parallelität, 2. ↑Parität, Symmetrie …   Das große Fremdwörterbuch

  • Gleichheit — Gleichförmigkeit; Identität; Analogie; Ähnlichkeit; Gleichartigkeit; Übereinstimmung; Similarität * * * Gleich|heit [ glai̮çhai̮t], die; , en: a) Übereinstimmung (in Bezug auf Beschaffenheit …   Universal-Lexikon

  • Gleichheit — 1. Gleicheyt macht freundtlicheyt. – Franck, II, 60a; Sailer, 76; Körte, 2191; Simrock, 3690. Böhm.: Rovnost přátely činí. (Čelakovský, 228.) Holl.: Gelijkheid bevredigt. (Harrebomée, I, 225.) Lat.: Similitudo morum est mater amorum. (Gaal, 738.) …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Gleichheit — Ich kann mir nichts Besseres denken als ein bescheidenes, einfaches und freies Leben in einer egalitären Gesellschaft. «Karl R. Popper» Gleichheit ist immer der Probestein der Gerechtigkeit, und beide machen das Wesen der Freiheit. «Johann… …   Zitate - Herkunft und Themen

  • Gleichheit — a) Deckungsgleichheit, Entsprechung, Gleichartigkeit, große Ähnlichkeit, Identität, Symmetrie, Übereinstimmung; (bildungsspr.): Analogie, Egalität, Égalité, Konformität, Kongruenz, Parität. b) ↑ Gleichberechtigung. * * *… …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Gleichheit — die Gleichheit (Mittelstufe) Unterschiedslosigkeit in Bezug auf die Stellung, Rechte Synonym: Egalität (geh.) Beispiel: Die Gleichheit aller Menschen ist eins der wichtigsten Prinzipien in der heutigen Welt …   Extremes Deutsch

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”